Wieso UnterschichtenKinder?
Seit heute gibt es eine Facebook Gruppe, die sich UnterschichtenKinder nennt.
Warum? Ein Netzwerk, das sich Arbeiterkind nennt und entsprechende Literatur über Arbeiterkinder, gibt es ja schon. Ein Pendant für UnterschichtenKinder gibt es noch nicht.
Und warum heißt die Gruppe nicht Hartz-IV-Kinder? Weil Hartz-IV meiner Meinung nach nicht weit genug greift. Hartz-IV steht zwar als Synonym für Unterschicht, schließt aber wörtlich genommen Kinder von Geringverdienern aus, Kindern von Illegalen, von Flüchtlingen und allen, die aktuell nicht im ALG II Bezug sind. Auch gilt für mich etwas, das ich immer wieder erklären muss: dass ich als Kind nie von Hartz-IV betroffen war. Damals hieß es noch Sozialhilfe. Dennoch gilt das, was den relativen Armutsbegriff in einer Industrienation ausmacht ebenso für die damalige Sozialhilfe, wie heute für Hartz-IV. Der Begriff Unterschicht ist also viel weiter und schließt alle betroffenen Gruppen mit ein.
Vieles, was auf Arbeiterkinder zutrifft, gilt auch für UnterschichtenKinder. Aber es gibt hier noch das kleine Extra, das so schwer greifbar ist. Die Kombination aus verschiedenen Mängeln: dem Mangel an finanziellen Ressourcen, Mangel an sozialen Ressourcen, Mangel an Bildung oder Zugang zu bestimmtem Wissen, Mangel an Vorbildern und Fürsprechern, Herkunft (soziale Herkunft, andere Herkunft, immer noch kein Wahlrecht ohne deutsche Staatsbürgerschaft), Mangel an Zukunftsperspektiven und Zuversicht sind die Komponenten, die in der Unterschicht meistens nicht nur einzeln, sondern gemeinsam auftreten. Und oft genug kommen weitere familiäre Probleme dazu, die das Leben erschweren: Arbeitslosigkeit, Sucht, Schulden, Krankheit, soziale Isolation, psychische Belastungen, unglückliche Eltern sind nur einige davon.
UnterschichtenKinder zu stärken ist notwendig, auch wenn man immer wieder folgende Sätze hört: Deutschland ist ein reiches Land. Uns geht es wirtschaftlich gerade gut. Hier gibt es Bibliotheken. Hier kann jeder zur Schule gehen, der möchte. Hier muss keiner hungern. – Eigentlich dürfte es dann ja keine Unterschicht mehr geben. Dass es diese gibt, ist aber schwer abzustreiten. Denn, wie Sheryl Sandberg so wahr in ihrem Buch »Lean In« geschrieben hat: »Das Versprechen der Chancengleichheit, ist noch lange nicht die wahre Chancengleichheit.« Und solange wir dort noch nicht angekommen sind, bin ich dankbar für alle Unterstützung, die der Sozialstaat in Deutschland zu bieten hat. Dennoch haben wir die strukturelle Ausgrenzung der Unterschicht noch lange nicht überwunden. Im Gegenteil. Sie wird immer deutlicher und wirksamer, wie Studien belegen. (Studien zu Themen wie: Jugendarbeitslosigkeit im europäischen Vergleich, Arbeitschancen für Geringqualifizierte, Niedriglohnsektor, Arbeitsverhältnisse von kurzer Dauer, steigende Anzahl von Teilzeitverträgen, Aufstiegschancen von Jugendlichen aus sozial schwachen Familien, Langzeitarbeitslosigkeit, etc.)
UnterschichtenKinder brauchen Fürsprecher und Mentoren. Für sie ist es noch schwerer eine Position zu erlangen, von der aus sie ihr Leben selbst gestalten können. Sie müssen oft nicht nur gegen sich selbst, sondern auch gegen ihre Rahmenbedingungen kämpfen. Es wichtig, dass die Betroffenen selbst anfangen ihre Ziele zu definieren und sie zu sehen. Sie sollten nicht alleine gelassen werden.
Deswegen ermutige ich alle, die bereis an mich geschrieben haben, oder mir nach Lesungen erzählt haben, dass sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie ich, oder sogar noch drastischere, sich mit mir bei UnterschichtenKinder zu outen. Lasst uns diskutieren, was UnterschichtenKinder eigentlich sind und was sie ausmacht, was sie brauchen, um sich in dieser Gesellschaft positionieren zu können.
Erzählt, wie weit Ihr selbst gekommen seid, und wie Ihr es geschafft habt. Was oder wer hat Euch geholfen, als es am schwierigsten war und was hättet ihr Euch damals gewünscht?
Was muss sich an der Politik ändern?
Diejenigen, die noch kämpfen, erzählt uns, was Ihr braucht, Euch wünscht, woran Ihr am meisten zweifelt. Am besten unter: www.facebook.com/groups/unterschichtenkinder oder: unterschichtenkinder@groups.facebook.com
Wenn Ihr Fragen habt, die Ihr nicht öffentlich teilen wollt, schreibt mir gerne über das Email-Formular auf meiner Homepage oder sendet mir eine Nachricht unter: www.facebook.com/undinezimmer
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