Ein Plädoyer für Eltern, die nicht auf der Sonnenseite leben.
Wie hilft man besonders belasteten Kindern in Deutschland am besten? Indem man ihre Eltern fördert, sagt Prof. Dr. Meinrad Armbruster, Gründer der ELTERN-AG.
Was ist die ELTERN-AG?
ELTERN-AG ist ein Präventionsprogramm für Kinder aus besonders belasteten und armutsgefährdeten Familien. Seit der ersten Pisa-Studie von 2000 hat es sich immer wieder bestätigt: Kinder werden am stärksten von ihren Eltern beeinflusst. Können diese den sozialen Aufstieg ihrer Kinder nicht unterstützen, haben es auch Bildungsprogramme in Kindertagesstätten und Schulen schwer. Das Elternhaus bleibt ausschlaggebend für die Bildungskarriere, die berufliche Laufbahn und die Aufstiegschancen der Kinder aus besonders belasteten Milieus. In Deutschland ist dieser Zusammenhang markant. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW) zählt Deutschland international zu den Ländern mit einer wenig ausgeprägten Chancengleichheit. In den letzten 15 Jahren hat sich diese Tendenz sogar verstärkt. Laut Pisa Studie hat jedes 5. Kind in Deutschland eine schlechte Startposition.
Programme und Studien, die sich auf Angebote für diese Kinder spezialisiert haben, zeigen, wie mühsam es ist, die Situation dieser Kinder zu verändern, wenn das soziale Umfeld nicht mithilft oder sogar dagegen arbeitet. Deswegen ist die ELTERN-AG ein Programm für Kinder, das mit den Eltern arbeitet.
Was passiert in einer ELTERN-AG?
In der ELTERN-AG sind nicht die Fachkräfte die Experten, sondern die Eltern selbst. Eine ELTERN-AG wird immer von 2 Mentoren geleitet. Die Mentoren sind ausgebildete und berufserfahrene pädagogische Fachkräfte, die für die Eltern-AG zusätzlich eine einjährige Weiterbildung absolviert haben. Die Fachkräfte arbeiten basierend auf dem Handlungsprinzip des Empowerments.
Eine ELTERN-AG beginnt mit einer aufwändigen Akquise von etwa 8-12 Eltern. Eine ELTERN-AG dauert mit 20 Treffen etwa ein halbes Jahr. Die Treffen finden wöchentlich statt. In jeder ELTERN-AG wird einmal Bezug genommen auf die 6 goldenen Erziehungsregeln. Jede ELTERN-AG bietet parallel Kinderbetreuung an. Die Teilnahme kostet die Eltern nichts. Nach 20 Treffen sind die Eltern auf sich gestellt. Viele der Eltern treffen sich dann auch ohne die Mentoren weiter.
Die ELTERN-AG ist ein Angebot, das sich ausschließlich an besonders belastete Eltern richtet. Diese werden von der ELTERN-AG anhand von sieben Kriterien ausgesucht. Eltern, die nicht zur Zielgruppe der besonders Belasteten gehören, werden auch nicht in die ELTERN-AG aufgenommen, aber durch die Fachkräfte an andere Angebote weitervermittelt.
Was kann die ELTERN-AG?
11 Jahre nach der ersten ELTERN-AG bestätigen zahlreiche Auszeichnungen und Begleitstudien den positiven Effekt der ELTERN-AG. Laut Forschungsergebnissen treffen sich nach einem Jahr noch 68% der Eltern regelmäßig ohne die Mentoren. 80 Prozent der Eltern, die eine Eltern-AG beginnen, bleiben bis zum Ende dabei.
Wer steht hinter der ELTERN-AG?
Gründer der ELTERN-AG ist Prof. Dr. Meinrad Armbruster. Er ist im Schwerpunkt Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut mit Ausbildungen in Verhaltenstherapie, tiefenpsychologischer Psychotherapie, Psychodrama, systemischer Familientherapie und Supervision und seit 2008 Geschäftsführer des Sozialunternehmens Magdeburger Ausbildungsinstitut für Psychotherapeutische Psychologie] (MAPP) und der MAPP-Empowernt gGmbH, die er gemeinsam mit Janet Thiemann-Zwinzscher leitet. Das Büro der ELTERN-AG hat seinen Sitz in Magdeburg und ist angegliedert an die MAPP-Empowernt gGmbH. Seit 2004 finden von hier ausgehend bundesweit ELTERN-AGs statt.
Rechnet sich eine ELTERN-AG?
Forschungsergebnisse und zahlreiche Auszeichnungen belegen, dass die Eltern-AG einen positiven Effekt auf die Kinder hat, von dem Eltern und Kinder profitieren. Die Mitarbeiter von Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen bestätigen, dass Eltern zugänglicher werden; das stärkt die Zusammenarbeit. Eltern suchen selbst Beratungsangebote auf, die sie vorher gemieden haben. Sie erkennen Herausforderungen besser. Die Gesellschaft profitiert davon, da Prävention auf lange Sicht Kosten senkt und Hilfsangebote effektiver macht. Eine ELTERN-AG dauert 6 Monate und kostet etwa 1500 Euro pro Monat, abhängig von Region und Träger. In dieser Zeit profitieren die 10 teilnehmenden Eltern und ihre im Schnitt 2-3 oder mehr Kinder von dem Angebot. Mit jeder ELTERN-AG werden also mindestens 8-16 oder mehr Kinder und ihre Eltern erreicht. Ein Kinderheimplatz kostet um die 4000 Euro im Monat und erreicht ein Kind, das bereits einen großen Schaden erlitten hat. Dazu kommen oft noch die Kosten für Psychotherapie, welche voraussetzt, dass bereits eine Erkrankung diagnostiziert wurde.
Wie finanziert sich eine ELTERN-AG?
Vor allem Soziale Träger, Stiftungen und Jugendämter unterstützen die ELTERN-AG als Finanzierer. Um die Finanzierung müssen sich die Träger selbst kümmern.
Wie hole ich die ELTERN-AG in meine Stadt?
Ein sozialer Träger muss sich um die Finanzierung einer ELTERN-AG kümmern, über die ELTERN-AG zwei pädagogische Fachkräfte ausbilden lassen und kann dann eine ELTERN-AG anbieten. Die erste ELTERN-AG findet unter engmaschiger Begleitung statt. Die ausgebildeten Fachkräfte des jeweiligen Trägers gewinnen die Eltern für den Kurs. Mehr zur Elternwerbung finden Sie hier. Die ELTERN-AG unterstützt die Träger auch beratend, wo sie zusätzliche Gelder beantragen können.
Wo finden aktuell ELTERN-AGs statt und wer führt sie durch?
Dazu finden Sie weitere Informationen hier.
Weiterführende Links
ELTERN-AG
Hier geht es zur Seite von Prof. Dr. Meinrad Armbruster und seinem Buch Selbermachen! Mit Empowerment aus der Krise.
Im Folgenden finden Sie Auszüge aus dem Gespräch mit Wencke Thiemann, Teamleiterin der ELTERN-AG, und Gründer Meinrad Armbruster vom 07.12.2015 in Magdeburg zu den Themen:
Was sind besonders beslastete Eltern?
Empowerment: »Bestärken, was schon da ist.«
Eltern-Akquise: »Man muss mit der richtigen Haltung auf die Eltern zugehen.«